Über Megatrends und die 2050 MegaTrend map von Zukunftsforscher
Richard Watson
Was ist ein Megatrend?
Hätte es die Begriffe (das Wording) damals gegeben, hätte man die Industrialisierung als Megatrend bezeichnen können und die Eisenbahn als disruptive Technologie. Manch einer hatte Angst beim Anblick einer fahrenden Eisenbahn zu erblinden, bewegte sich diese doch mit vielfach höherer Geschwindigkeit als ein Pferd. Andere überschlugen sich vor Technikbegeisterung.
Die Eisenbahn fährt bis heute, Pferde gibt es auch noch. Nur der Anteil und die Nutzung im Transportwesen ist 2021 eine andere als 1821. Trotzdem hat die Eisenbahn nicht nur das Transportwesen unaufhaltsam revolutioniert. Megatrends sind Veränderungen, die sich spürbar auf unser Leben auswirken. Der Umgang mit ihnen ist mit einer Fülle von Emotionen verknüpft: von Angst bis zur Schockstarre, von vorsichtigem Interesse bis zur Euphorie.
Megatrends: Jede Erfindung hat Folgen
Die Eisenbahn hat als disruptive Technologie zum Aufstieg und Fall ganzer Branchen und Berufszweige geführt. Sie hat u.a. das Reisen als massentauglichen Trend ermöglicht. Der neue Trend weckte den Bedarf an neuen und verbesserten Produkten: vom schweren Kofferschrank über Koffer auf Rollen und zum Ziehen bis zum geländegängigen wasserdichten flugzeugkabinentauglichen ultraleichten, reißfesten Hartschalen Business-Trolley von heute. Megatrends sind ein Roter Faden für die Vorausschau auf zukünftige Trends und Technologien.
Megatrends: Warum es so viele Begriffe gibt
Wissenschaft und Wirtschaft befassen sich auf internationaler Ebene mit dem Thema Megatrends. Wissenschaftler:innen prägen Begriffe. Unternehmen, Marketingabteilungen und Medien tun dies ebenso. Es geht um Aufmerksamkeit. Jeder kocht ein anderes Süppchen. Es gibt kein globales Megatrend-Gremium, das weltweit gültige Regeln für die Benennung und Verwendung einzelner Begrifflichkeiten festlegt. Sie können selbst entscheiden, wie Sie einen Megatrend nennen wollen. Es geht um den Inhalt, nicht um den Namen.
Wie viele Megatrends gibt es?
Das hängt davon, welche Quelle oder welche Abbildung welchen Anbieters Sie betrachten. Häufig werden Zahlen genannt, die sich gut für Schlagzeilen eignen und die man sich gut merken kann. Die Anzahl variiert von 10 über 12, 15, 17 oder 20. Als Innovationsagentur innoXperts® verwenden wir für unsere Innovationsworkshops die „2050 MegaTrend map“ des international renommierten Zukunftsforschers Richard Watson. Der Szenarioplaner ist auch der Erfinder der „2050 MegaTrend map“. Die „2050 MegaTrend map“ fokussiert auf die Verbindung einzelner Lebensbereiche mit einem oder mehreren Megatrend(s). Es geht um den Inhalt, nicht um die Anzahl.
Die 2050 MegaTrend map zeigt nur zukünftige Möglichkeiten, keine Verbindlichkeiten. Meine Absicht war es, mit ihr eine Diskussion in Gang zu setzen.
Wie lange dauert ein Megatrend?
Ein Megatrend hat einen Anfang, aber kein Ende. Megatrends wandeln sich. Sie gehen von einem in den nächsten über oder sie werden einfach umbenannt. Der Megatrend Industrialisierung heißt heute Technologie und wirkt sich damals wie heute darauf aus, wie wir arbeiten und leben, wie wir kommunizieren und wie wir uns verhalten. Mit Sicherheit dauert ein Megatrend so lange, dass er sich auf die eigene Lebenszeit und die der Nachkommen auswirken wird. Es geht um die Qualität der Auswirkungen, nicht um die Dauer in Jahren.
Die „2050 MegaTrend map“ von Richard Watson
Richard Watson forscht als „futurist-in-residence” an der Cambridge Judge Business School (CBJS), eine der renommiertesten Business Schools weltweit. Als er sich im Chaos aus Recherchen, Notizen und Lesezeichen nicht mehr zurechtfand, setzte er sich an den Küchentisch und begann mit der Kreide seiner Kinder Mindmaps zu malen. Er wollte seine Rechercheergebnisse so strukturieren, dass er sie online wie offline mit anderen teilen konnte. Irgendwann kam die richtige Idee für die passende Visualisierung.
Megatrends und Handlungsfähigkeit
Auf der Basis des Londoner U-Bahn-Plans visualisierte Richard Watson 16 Trendlinien, die unsere Lebensbereiche abbilden: von Arbeit und Bildung über Gesundheit und Technologie bis zu Sicherheit und Wertesystem. Auf diesem Plan breitete er ein Netz aus Megatrends und ordnete sie so an, dass Verknüpfungen und Schnittmengen, Chancen und Risiken sichtbar wurden. Durch die Vernetzung von Lebensbereichen und Megatrends entsteht eine handfeste Inspirationsquelle für die Entwicklung neuer Dienstleistungen und Produkte. Die „2050 MegaTrend map“ hilft beim wichtigsten Schritt der Integration von Megatrends: bei der passenden Auswahl.
Megatrends: Drohkulisse oder Denkfabrik?
Unternehmen und Dienstleister:innen sind dynamischen Rahmenbedingungen ausgesetzt: Gesetze, internationale Handelsabkommen, Mitbewerber, Medien, Meinungsmacher:innen, Wünsche, Interessen, Anforderungen, Zeitgeist u.v.a.m. Unternehmen haben die Wahl. Lassen Sie sich lenken und oder positionieren sie sich selbst? Sie haben die Wahl. Dazu benötigen Sie eine Vorstellung davon, wie sich das Unternehmen weiterentwickeln soll.
Innovatoren müssen eine Vision von der Zukunft haben. Wer innovativ sein will, muss zumindest eine Idee davon haben, wohin sich die Welt entwickeln könnte. Man sollte vor allem wissen, wohin man sich selbst entwickeln möchte.
Megatrends öffnen den Blick auf einen breiten Horizont an Handlungsmöglichkeiten. Sie sind eine übersichtliche und strukturierte Inspirationsquelle für den eigenen Handlungsspielraum. Sie bieten Denkanstöße für fast alle Lebensbereiche, Dienstleistungen und Produkte: vom ersten CO2-neutralen Kreuzfahrtschiff der Welt (Megatrend: Klima) über „mitdenkende“ Schuhsohlen (Megatrends: E-Health, Konnektivität) bis zu Avatar-Lehrer:innen (Megatrends: Technologie [Künstliche Intelligenz, Gamification] und Gesellschaft [Individualisierung]).
Megatrends: Denn sie wissen, was sie tun
Unbestritten ist, dass Unternehmen Entscheidungen treffen müssen. Für ihre Entscheidungen benötigen Sie eine Vorstellung von den Zielen, die sie erreichen wollen. Diese Ziele sollten klar definiert und fundiert sein. Als Basis für eindeutig formulierte Ziele stehen u.a. Instrumente wie Marktanalyse oder Umfragen zur Verfügung. Trotzdem muss man sich auf Ziele auch einigen können.
Für ein Spitzenergebnis benötigt man alle an Bord unabhängig davon, ob sie zögern oder nach vorne preschen und unabhängig davon, ob sie Teamplayer oder Narzissten, Nostalgiker oder Pioniere sind. Die Welt ist bunt, die Welt ist divers. Megatrends bilden aktuelle und zukünftige Möglichkeiten ab. Diese Vielfalt bietet jedem Innovationstyp eine Heimat.
Megatrends für Ideen, Impulse und Inspiration
Diversität kann ein großer Pluspunkt sein, denn viele verschiedene Perspektiven erzeugen mehr Ideen. Daher ist die Herausforderung verschiedene Identitäten, Perspektiven und Persönlichkeiten an einen Tisch zu bringen umso größer. Ideenrunden scheitern, weil man sich erst gar nicht trifft. Zu kompliziert, zu aufwändig, zu teuer, zu zeitraubend, zu anstrengend.
Megatrends helfen dabei verschiedene Innovationstypen um ein Thema herum zu versammeln. Sie unterstützen die Suche nach Bereichen, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen konkrete Beiträge leisten können. Megatrends liefern Impulse für ein gemeinsames Mindset und unterstützen die Suche nach einem sinnvollen Fokus.
Megatrends: Worauf es ankommt
Finden Sie heraus, welche Megatrends für Sie relevant sind. Lassen Sie sich beraten, wie sie diese in Ihr Unternehmen, Ihre Produktentwicklung und Ihr Portfolio integrieren. Es sei denn, Sie haben bereits Innovationsmanager:innen bzw. Interne Ideentrainer:innen im Haus. Diese können die Leistung inhouse erbringen. Sie können einzelne Megatrends herausgreifen, diese gemeinsam besprechen und daraus Ideen für die Zukunft entwickeln. Je strukturierter der Vorgang der Ideenfindung unter Berücksichtigung von Megatrends ist, desto schneller kommen Sie zu qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Ergebnissen.
Beschäftigt man sich mit Megatrends sollte man sowohl die langfristig wirkenden Folgen eines einzelnen Trends als auch die möglichen Überschneidungen mehrerer Trends betrachten. Eine alternative Herangehensweise ist es, gezielt einen oder mehrere Megatrends herauszusuchen, in denen Sie tätig werden wollen.
Megatrends: Beispiel „New Work“
Die Integration eines Megatrends zur Weiterentwicklung des Unternehmens setzt ein Fundament voraus. Dieses besteht aus der Bereitschaft für den Wandel (Transformation) und einer Entscheidung für eine radikale schnelle und disruptive Erneuerung oder einer Innovationsstrategie, die langsamer und Schritt für Schritt (inkrementell) umgesetzt werden soll. Die dritte Säule des Fundaments ist ein Mindset, das offen für Innovationskultur ist.
Megatrends: Ziele und Methoden
Wie wollen Sie den Megatrend „New Work“ integrieren? Möchten Sie die erforderlichen Maßnahmen von anderen kopieren oder selbst entwickeln? Sollen einige ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hierzu Ideen entwickeln oder wollen Sie alle Beteiligten bis hin zu Kundinnen und Kunden in den Ideenentwicklungsprozess integrieren (Open Innovation, Co-Creation)? Und falls Sie alle mit ins Boot holen wollen: Welche Technologien benötigen Sie dafür?
„New Work“ und die anderen Megatrends
Gut umgesetzte Megatrends sind keine Stand-alone-Lösungen. Sie sind angereichert um die wichtigsten Impulse aus weiteren Megatrends. Für den Megatrend „New Work“ wären das u.a. der Megatrend Konnektivität (Digitalisierung) oder Individualisierung (Diversität, Empowerment, Gender Shift). Nur so können Sie eine neue Arbeitsumgebung schaffen, die Fachkräfte anzieht wie die Motten das Licht. Flexible Arbeitszeiten, Familienplanung, Gendergerechtigkeit (Equal Pay), die Abschaffung von Dresscodes oder die freie Wahl des Arbeitsortes sind nur einige der Rahmenbedingungen, die umgestaltet werden könnten.
Picken Sie sich zwei bis drei Trends heraus, die sich überschneiden. Diese könnten Sie miteinander kombinieren und darüber nachdenken, ob und was Ihr Unternehmen in diesem Bereich leisten könnte.
Warum wir die „2050 MegaTrend map“ verwenden
Trends und Technologien: now and next
Die Qualität der Visualisierung ist der Grund, warum wir die „2050 MegaTrend map“ von Richard Watson verwenden. Seine Darstellung ist weit mehr als nur eine Übersicht über die aktuellen Megatrends als U-Bahn-Plan. Sie ist ein Navigationssystem und eine Orientierungshilfe.
Auf jeder einzelnen Linie benennt Richard Watson Station für Station die möglichen Folgen, Verknüpfungen, Überschneidungen sowie Chancen und Risiken. Er zeigt, was jetzt ist und das, was kommen könnte. Insofern ist seine „2050 MegaTrend map“ eine unschätzbare Fundgrube an Impulsen und Inspirationen, weil sie viele Perspektiven integriert, eine mehrdimensionale Betrachtung ermöglicht und weiter vorausschaut als andere.
Wenn Sie in ein bis drei Jahren mit Ihrem neuen Produkt oder Service auf den Markt kommen wollen, wäre es sehr wichtig (Megatrends bei der Innovationsentwicklung zu berücksichtigen), in drei bis fünf Jahren ziemlich wichtig. Falls Sie planen in zehn Jahren oder mehr marktfähig zu sein, können Sie einige Aspekte, wie z.B. die aktuelle Technologie vernachlässigen.
Innovation mit Megatrends verknüpfen
Megatrends am Beispiel OstseeSparkasse Rostock (OSPA)
Sommer 2019: Ziel der OSPA ist es, Innovationskultur im Unternehmen zu verankern. Ideen mit Potenzial sollen frühzeitig erkannt, entwickelt und umgesetzt werden. Innovation soll fester Bestandteil des Tagesgeschäfts werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen dazu befähigt werden, Innovationsprozesse zu aktivieren und zu begleiten. Die neue Innovationskultur soll Kundinnen und Kunden erreichen.
Herbst 2019: Gemeinsam mit dem Vorstand, Führungskräften und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter findet eine Auswahl der Themen statt, die für die Kundinnen und Kunden der OSPA in Zukunft relevant sein werden. Megatrends werden als Inspirationsquelle herangezogen und mit dem aktuellen Kenntnisstand und den Zielen der OSPA abgeglichen.
Frühjahr 2020: Im InnoCamp® entwickeln die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ideen zu neuen Geschäftsgebieten und den Megatrends Konnektivität (Digitalisierung), Demografischer Wandel (Silver Society, Best Ager) und Klima (Nachhaltigkeit). Das Ergebnis: rund 90 umsetzbare Ideen zu den vier gewählten Zukunftsthemen.
Heute: Die besten Ideen befinden sich in der Umsetzung. Im Oktober 2021 startet die Ausbildung Interner Ideentrainer:innen. Die Integration von Megatrends hat dazu geführt, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der OSPA für die Zukunft bestens gerüstet fühlen.
Autorin: Gesine Cody (innoXperts® Strategie, Kommunikation & Senior Copy Writer)
Weiterführende Informationen und Download:
- Autor, Futurist, Speaker, Szenarioplaner, Gründer von "What's next" und Erfinder zahlreicher Thinking Tools: zu den Fragen und Antworten mit Richard Watson
- Die 2050 MegaTrend map von Richard Watson können Sie hier herunterladen (PDF).