Das Thema Industrie 4.0 wird seit Jahren aus Sicht der Politik und der Wirtschaft sehr thematisiert bzw. überstrapaziert. Aber nicht nur bei uns ist das so. In anderen Ländern wie China, Japan oder den USA gibt es ähnlich gelagertes Bestreben.
10 Punkteplan
Aus einer Zusammensetzung unterschiedlicher Akteure wurde eigens dafür in Deutschland die Plattform Industrie 4.0 errichtet, deren Herausgeber das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist. Die besagte Plattform hat vor ein paar Tagen einen 10 Punkteplan heraus gebracht. Dieser beginnt mit dem Satz: „Deutschland ist das Industrie 4.0-Land Nr. 1 in der Welt.“ Das klingt erst einmal nach Gewinnerstimmung. Auch wenn nicht ganz geklärt ist, was man unter „Industrie 4.0-Land Nr. 1 in der Welt“ verstehen darf und welche Kriterien dem zugrunde liegen.
Jedenfalls liest sich dieser Punkteplan, wenn man einfach den Begriff Industrie 4.0 weglässt, wie eine politische Agende zum Wahlkampf vor 20 Jahren. Damit sei nur verdeutlicht, dass es die aufgeführten Notwendigkeiten nicht erst seit 4.0 gibt. Hier ein kurzer Überblick, über den Punkteplan für Industrie 4.0:
1. Transfer-Netzwerk Industrie 4.0 für KMU einrichten
2. Neue Themen aufgreifen
3. Standardisierung (inter-)national vorantreiben
4. Forschungsergebnisse durch Transfermaßnahmen schneller in praktische Anwendungen überführen
5. IT-Sicherheit als Qualitätsmerkmal verankern
6. Recht für Industrie 4.0 verwirklichen
7. Arbeit und Qualifizierung für Industrie 4.0 gestalten
8. Testumgebungen für Industrie 4.0 vernetzen und ausbauen
9. Industrie 4.0 Anwendungsbeispiele verdoppeln und Nutzen verdeutlichen
10. Internationale Kooperationen vertiefen. Marke „Industrie 4.0 – Made in Germany“ international stärken
Industrie 4.0
Um dem Begriff Industrie 4.0 tummeln sich ja viele Definitionen. Zwei davon finde ich sehr verständlich:
1. Digitalisierung aller Produktions-, Liefer- und Vertriebsketten
2. Die Verschmelzung der analogen physikalischen Produktionswelt mit den Möglichkeiten der digitalen Datenverarbeitung
Wenn sich Deutschland als das bereits beschriebene „Industrie 4.0-Land Nr. 1 in der Welt“ bezeichnet, stellt sich die Frage, mit wem sich Deutschland in diesem Bereich vergleichen muss und welche Zugangsvoraussetzung mitgebracht werden müssen.
Voraussetzungen
Dafür spricht, dass Deutschland weltweit anerkannt über herausragende Ingenieure verfügt und im Bereich Maschinenbau seit Jahrzehnten ganz weit vorne mitmischt. Ein weiterer Vorteil sind die vergleichsweise recht hohen Arbeitskosten, die dazu motivieren (sollten), mehr Effizienz in die Produktion vernetzter Technologien und deren Informationsaustausch zu stecken. Was eigentlich eher ein Nachteil ist, wirkt sich an dieser Stelle positiv aus: Denn Fachkräftemangel und eine Überalterung der Bevölkerung sollten einen Sog zu mehr Digitalisierung in der Produktion erzeugen. Soweit zur Theorie und zu den Vorteilen.
Die Fronten an der Datenschutzlinie sind nach wie vor verhärtet. Die dortigen Regelwerke sind sehr starr und stehen einer Innovation nur im Wege. Es fehlen Flexibilität, Agilität und somit Kompromisse. Denn ohne Ausnutzung von Big Data wird es keine Kommunikation zwischen Maschinen bzw. Mensch-Maschine geben. Also nichts mit 4.0. Denn unser Bundesdatenschutzgesetz war als Provisorium gedacht, um die Vorgaben der Europäischen Union zu erfüllen. Geplant war etwas anderes: Datenschutz durch Technik und nicht gegen Technik.
Coopetition
Sicherlich gibt weiter Vor- und Nachteile. Was aber eine sehr große Herausforderung darstellt, ist, dass ein Umdenken in den Köpfen der Unternehmenslenker stattfinden muss. Bisher war man nur auf Wettbewerb, Kampf um die besten Innovationen, Ressourcen und die besten Kundenzugänge getrimmt worden und nun heißt es Coopetition – eine Dualität zwischen Kooperation und Konkurrenz oder anders ausgedrückt: Die Gegensätzlichkeit von Evolution und Disruption in einem gemeinsamen Ökosystem. Es braucht aber gemeinsame Standards, einheitliche Plattformen und zum Teil gemeinsame und neue Geschäfts- sowie Kooperationsmodelle. Ohne Berücksichtigung dieser Notwendigkeiten gibt es keine Vernetzung und somit keinen Mehrwert für den Kunden.
Disruption
Digitale Geschäftsmodelle gelten als Treiber für zukünftigen Wohlstand. Unseren Dax-Schwergewichten geht es relativ gut. Aber im Vergleich mit führenden NASDAQ-Unternehmen sieht das anders aus. Denn diese Unternehmen haben es verstanden, Nutzung, Veredelung und Weiterverarbeitung von Informationen in den richtigen Kontext zu setzen.
Insbesondere sind es ja die digitalen Geschäftsmodelle, die eine – auch wieder so ein Buzz-Wort – Disruption anstreben. Also auf gut Deutsch, einen Angriff auf etablierte (eingefahrene) Unternehmen zu starten – mit bemerkenswerten Ergebnissen. Denn Disruption funktioniert nach anderen Regeln. Hier zählt vordergründig nicht die Erfahrung, sondern kompromissloses Handeln.
Fazit
Um auf den anfangs beschriebenen Satz zurück zu kommen „Deutschland ist das Industrie 4.0-Land Nr. 1 in der Welt“, passt dazu sehr gut eine Huawei-Studie. In dieser Studie wird ein Vergleich zum Kontext Industrie 4.0 zwischen den Ländern China, Deutschland, Japan und den USA gezogen. Viele Kriterien wurden dafür genutzt, wie z. B. Innovationsfähigkeit, Bildung und digitale Infrastruktur, um eine größtmögliche Objektivität zu gewährleisten.
Huawei Studie Ranking Industrie 4.0
Ein Vergleich gestaltet sich dennoch schwierig, da aus der Studie hervorgeht, dass Industrie 4.0 noch immer in den Kinderschuhen steckt. Wer also einen Gewinner sucht – Fehlanzeige. Vielmehr ist es eine Gegenüberstellung, welches der Länder wie in den einzelnen Kriterien aufgestellt ist. Dennoch wagte man eine kleine Aussage. Die USA gelten in der Studie als das Land mit den besten Voraussetzung. Aber keines der Länder hat in irgendeiner Disziplin einen Vorsprung, der nicht eingeholt werden könnte. Insbesondere aber, sollte ein großes Augenmerk auf China gelegt werden, da dieses Land, wo es Defizite hat, enorme Anstrengungen unternimmt, diese zu kompensieren.
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